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TV-Kritik/Review: The Blacklist
(24.10.2013)
Der Anfang macht schon Eindruck: Da rauscht dieser mittelalte Mann mit Hut und Mantel in die Lobby der FBI-Zentrale, meldet sich mit Namen an, entledigt sich dann sowohl des Mantels als auch des Hutes, kniet seelenruhig nieder, hält die Hände über den Kopf und muss keine zwei Sekunden warten, ehe es überall blinkt und hupt und sich zahllose Gewehrläufe auf ihn richten: Raymond 'Red' Reddington, der "Concierge des Verbrechens", stellt sich dem FBI. Lächelnd. In Kooperationsabsicht.
Ein gutes Intro ist das, aber es ist ein trügerisches. Denn von dieser knappen Präzision wird
Red Reddington also, der lang gesuchte Megaverbrecher. Früher war er selbst ein Mann des Gesetzes, jetzt ist er zurück im Apparat, allerdings hinter Gittern. Er hat einen Plan - und eine "Blacklist": Darauf stehen die verdorbensten Supergangster, und Red kennt sie alle. Er weiß, wann sie zuschlagen und wie sie zu erwischen sind. Und er bietet dem FBI seine Hilfe an. Bedingung: Er will ausschließlich mit der Jung-Profilerin Elizabeth Keen reden, die gerade erst ihren Dienst antritt. Spätestens wenn dann die unerfahrene Gesetzeshüterin dem in einer spacigen Hochsicherheitsbox gefangenen Charakterschuft Red gegenübersitzt, darf man getrost den "Schweigen der Lämmer"-Alarm auslösen.
Umso verstörender ist es dann, wie wenig Kapital Bokenkamp aus dieser erprobten Prämisse schlägt. Vordergründig wird jedenfalls pro Folge ein Villain-of-the-Week von der Blacklist gestrichen: Im Pilot ist's ein serbischer Söldner, der Rache üben will, in Episode zwei ein "Freelancer" genannter Killer, in der dritten (und bislang mäßigsten) Folge ein chinesischer Brutalo-Gangster. Red weiß (woher auch immer) zu Beginn der Episoden stets, dass zu diesem oder jenem Zeitpunkt ein Anschlag erfolgen wird, kann deshalb Ratschläge erteilen und den Fall zusammen mit Keen und ihrem Team lösen. Dabei ist der Plot allerdings in all jenen Punkten inkonsequent, die ihn eigentlich konstituieren. So redet Red schon in der Pilotfolge keineswegs nur mit Keen, sondern zum Beispiel auch mit deren Chef, Special Agent Cooper (Harry J. Lennix,
So unterhaltsam es ist, Spader bei seinen ironischen Täuschungsmanövern zuzuschauen, so fragwürdig bleibt dabei diese sonderbare Freizügigkeit. In
"The Blacklist" hat aber weitere Schwächen. Und die weibliche Hauptfigur ist die gravierendste. Elizabeth Keen nämlich bleibt in den ersten Episoden eine Frau ohne Eigenschaften, die wirkt, als hätte sie sich aus einer Nicholas-Sparks-Verfilmung unter Zwang auf Jodie-Foster-Terrain verirrt. Alles, was man von ihr weiß, ist ihr entweder äußerlich abzuschauen (sie hat eine Narbe!) oder aber wird referiert: Angeblich ist sie eine brillante Elite-Profilerin frisch von der Quantico-Uni, taff und mit sozialen Defiziten. Doch nicht der Plot fördert diese Charakterisierung zutage - nein, die bedauernswerte Darstellerin Megan Boone muss das selbst aufzählen, auf Anweisung von Cooper. Dieser Hang zum uneleganten Charakter-Referat wohnt der Serie auch an anderen Stellen inne. Gleich zu Beginn etwa muss Keens Kollege Ressler (Diego Klattenhoff, der Mike Faber aus
Die Dialoge? Eine weitere Baustelle. Als die FBI-Profilerin in der zweiten Episode der italienischen Menschenrechtsaktivistin Floriana Campo begegnet, begrüßt sie sie mit den feierlichen Worten: "Ich bewundere Sie so sehr! Ich schrieb meine Abschlussarbeit über Ihre Arbeit in Kuala Lumpur." Schwer wird's, da nicht Lieutenant Frank Drebin mit seiner "Nackten Kanone" um die Ecke biegen zu sehnen - erst recht, als sich Campo (übrigens beneidenswert uninteressiert gespielt von der großen Isabella Rossellini) am Ende als skrupellose Mädchenhändlerin entpuppt. Eigentlich müsste das die junge Ermittlerin in eine Sinnkrise stürzen, doch die hat schon andere Sorgen: Ihr gütiger Mann Tom (Ryan Eggold aus
Ob die Liste abgearbeitet werden kann, bleibt abzuwarten. Immerhin ist "The Blacklist" keine komplett missglückte Serie. Vieles gelingt ja auch, sogar jenseits der charismatischen Hauptfigur. Der von Joe Carnahan ("The Grey") inszenierte Pilotfilm hat beispielsweise ein gutes Tempo und glänzt mit überraschend fies montierten Schrecksekunden sowie einer formidablen Action-Choreografie im Mittelteil, die den Zuschauer fast aus dem Sessel fegt; auch später wissen die Episoden immer wieder mit geschickt gerafften Sequenzen und Binnenspannungsbögen zu punkten. Doch dem entgegen stehen die schlaffe Figurenzeichnung und ein Krimi-Klischeefeuerwerk aus Last-Second-Countdowns und spinnerten Computertüftlern.
So ganz ist also noch nicht abzusehen, wohin die Reise geht: Die Ganovenhatz könnte ziemlich schnell sehr langweilig werden oder aber, im Gegenteil, allmählich immer spannender - vorausgesetzt, es gelingt den Autoren, die Figuren deutlich lebhafter zu gestalten als sie es bisher vermochten.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von "The Blacklist".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: NBC
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