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TV-Kritik/Review: The Divide
(18.08.2014)
Dass
In rascher Folge lernen wir die wichtigsten Figuren kennen: Da wäre zuerst die angehende Juristin Christine Rosa (Marin Ireland, die eine Terroristin in der zweiten
Gar nicht in den Kram passt das Engagement der leicht übereifrigen Rosa dem (selbst schwarzen) Staatsanwalt Adam Page (Damon Gupton), der seine Karriere quasi der damaligen Verurteilung des Bauarbeiters Jared Bankowski (Chris Bauer) verdankt. Der titelgebende Graben ("Divide") verläuft aber nicht nur zwischen den Ethnien, sondern auch innerhalb von Pages eigenem Haushalt. Denn seine (von Bauers Ex-
Genügend Potential für vielfältige und ambivalente Konflikte und Diskussionen rund um Schuld, Moral, Verantwortung, Rache und Gerechtigkeit also, die das Grundkonzept der Serie ermöglicht. Dies nutzen die Autoren Tony Goldwyn und Richard LaGravenese in der Auftaktfolge aber zunächst nur bedingt. Stattdessen drohen sie, sich in reichlich cheesigen Szenen zu verlieren. So muss Christine natürlich zu allem Überfluss auch noch selbst einen Vater haben, der in der Todeszelle sitzt.
Zwischen diesen unnötig soapigen Elementen blitzen aber schon zu Beginn immer wieder einzelne Dialoge auf, die sehr vielversprechend sind. So etwa, wenn Staatsanwalt Page bei einem öffentlichen Auftritt vor der schwarzen Gemeinde eine flammende Rede darüber hält, dass es bei der zu sühnenden Straftat nicht um eine Angelegenheit von race gehe, sondern die Hinrichtung jeden Bürger befriedigen solle, dem Gerechtigkeit ein Anliegen sei. Ihr Versprechen einlösen kann die Serie dann zum ersten Mal vollends, wenn Bankowskis alte Mutter (Ann Dowd, auch die Mutter von William Masters "of Sex" und bei HBOs
"The Divide" mit "The Wire" zu vergleichen, HBOs soziologischem Meisterwerk über die Unmöglichkeit, aus den Systemen, die einen umgeben, zu entkommen, scheint etwas zu hoch gegriffen. Aber einige Parallelen fallen doch auf: Nicht nur, dass einem hier einige der Darsteller wieder begegnen, allen voran der großartige Clarke Peters (Lester "natural pooolice" Freeman aus der David Simon-Serie) als stellvertretender Polizeichef und Vater von Adam Page. Nicht genug, dass hier so viele Afroamerikaner in wichtigen Rollen zu sehen sind wie (abgesehen von Serien speziell für diese Zielgruppe) seit "The Wire" nicht mehr. Auch die Art, wie die Autoren ihr Thema aus den verschiedensten gesellschaftlichen Blickwinkeln betrachten, erinnert an das große Vorbild: Wir begleiten die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die NGO, die (oder besser: das überlebende) Opfer, die vermeintlichen Täter, machen einen Abstecher ins Gefängnis und sehen die Reaktionen der Öffentlichkeit.
Dabei wird die Serie von Folge zu Folge besser: Spätestens in Episode 3 ist jeder Kitsch verschwunden, Folge 4, die hauptsächlich die Wiedereingliederungsversuche des vorübergehend aus der Haft entlassenen, als Mittäter verurteilen Terry Kucik (Joe Anderson) verfolgt, ist die bis dahin intensivste. Eine Serie, die es versteht, sich für eine Folge überwiegend auf eine Nebenfigur zu konzentrieren, ohne an Identifikationspotential einzubüßen, sollte man prinzipiell immer auf dem Schirm behalten.
In dieser Folge zeigt sich auch, dass die Macher kein Interesse an einfachen Antworten haben: Ja, Kucik scheint ein Nazi gewesen zu sein, aber er scheint sich ernsthaft ändern zu wollen. Der Unsympath ist hier nicht der mutmaßliche Schwerverbrecher, sondern sein Vater, der ihn nicht im Haus haben will. Und nur, weil man eine Hakenkreuztätowierung hat, heißt das nicht zwangsläufig, dass man nicht respektvoll mit Schwarzen sprechen kann. Absurd wirkt vielmehr das US-Rechtssystem, in dem ein unter Hausarrest Gestellter auch noch selbst für seine elektronische Fußfessel zahlen muss. Und ähnlich wie bei David Simon scheinen auch hier die leitenden Polizeibeamten mehr an ihrer Karriere und dem öffentlichen Frieden interessiert als daran, die wahren Schuldigen zu bestrafen.
Trotz aller inhaltlichen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich "The Divide" stilistisch fundamental von "The Wire" (und den meisten anderen HBO-Dramaserien): Es ist wesentlich schneller erzählt und geschnitten, setzt wie Networkserien auf den Einsatz von Popsongs in emotionalen Momenten und arbeitet auch mit Cliffhangern und ähnlichen Elementen zur Spannungssteigerung. Zumindest nach der noch etwas unausgegorenen Auftakt-Doppelfolge klappt diese Kombination erstaunlich gut. Falls die Macher es schaffen, das Niveau der dritten und vierten Folge bis zum Staffelende zu halten, wäre der Serie wirklich etwas mehr Aufmerksamkeit zu wünschen. Denn Serien, die vielschichtig und tiefgründig von der Gesellschaft und ihren Institutionen erzählen, gibt es leider viel zu wenige. Und David Simon kann ja nicht die ganze Arbeit alleine machen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden der Serie.
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: AMC Sudios
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