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TV-Kritik/Review: The Family
(28.03.2016)
Die Rückkehr des Verlorengeglaubten. Die Heimkehr des Täters. Motive, die unschlagbar sind als Katalysatoren für die dramatische Dekonstruktion einer festgefügten Gemeinschaft. Im Film zündete die Rückkehr des ehemals Vertrauten und dann irritierend Fremden schon ungezählte Male, das Seriengewerbe hat gerade in den letzten Jahren mehrfach beeindruckendes Kapital aus dieser Prämisse geschlagen (von
Die erste Variante des Rückkehrmotivs: das Opfer. Der achtjährige Adam Warren war zehn Jahre vor Einsetzen der Handlung während eines Wahlkampffestes seiner Mutter (der angehenden Bürgermeisterin) plötzlich vermisst worden. Als Täter wurde später der Nachbarn der Warrens, Hank Asher, verhaftet: Der pädophile Sonderling gestand die Ermordung des mit ihm befreundeten Jungen und ging dafür ins Gefängnis. Doch jetzt taumelt Adam, inzwischen 18 Jahre alt und von "The Killing") gespielt, mit leicht zerzauster Kaspar-Hauser-Frisur eine Landstraße entlang: Offenbar konnte er seinem Peiniger entkommen, der ihn zehn Jahre lang in einem Bunker im Wald gefangenhielt und missbrauchte.
Das erzählt Pilotfilm-Regisseur Paul McGuigan ("Wicker Park") beinahe atemlos - leider kleistert er die schnelle Szenenfolge fast durchgängig mit manipulativ dramatisierender Musik und effektheischenden Zeitlupen zu. Man merkt mal wieder: Leerstellen, die vom Zuschauer selbst zu füllen wären, sind im Network-Fernsehen nicht gern gesehen. Zum Glück ist da die Schauspielveteranin Joan Allen, dreifach oscarnominiert (bekannt aber vor allem durch ihre Rolle in "Im Körper des Feindes"), in der Hauptrolle der Claire Warren: Die republikanische Bürgermeisterin des fiktiven Städtchens Red Pines im nordöstlichen US-Bundesstaat Maine wird von ihr mit bewährt eisiger Präzision verkörpert. Das Drehbuch gibt Allen Gelegenheit, sowohl die Schneidigkeit einer machtbewussten Matriarchin als auch die verzweifelte Sorge einer Mutter auszuspielen, die eine Dekade lang mit der vermeintlichen Gewissheit leben musste, ihr jüngster Sohn sei einem grausamen Verbrechen zum Opfer gefallen.
Auch wenn es ein positiver Schock ist - als Schock wird es dennoch empfunden, wenn Adam plötzlich wieder da ist, derangiert durch das große Elternhaus schleicht und freiwillig im Wandschrank schläft. Seine Schwester Willa (als Teenager: Madeleine Arthur; erwachsen: Alison Pill aus
Bindeglied zur zweiten Variante des Rückkehrermotivs - diesmal den Täter betreffend - ist die Polizistin Nina Meyer (Margot Bingham). Sie hatte Hank damals verhaftet, wurde deshalb befördert und muss den unschuldig Verurteilten nun wieder aus dem Knast zurückholen. Hank, mit 300.000 Dollar entschädigt, kehrt ins Haus seiner verstorbenen Mutter zurück, das direkt neben dem Anwesen der Warrens liegt, und kann die Abneigungen gegen ihn nicht abschütteln. Famos gespielt wird er von Andrew McCarthy, der in den Achtzigerjahren zum "Brat Pack" junger, beliebter RomCom-Darsteller gehörte, mehrere populäre Komödien drehte ("Immer Ärger mit Bernie") und jetzt, mit gräulichem Haar und verkniffenem Mund einen fulminanten Imagewechsel hinlegt. Sein Hank schillert beunruhigend zwischen bedauernswertem Opfer, dem das Leben und die Umwelt übel mitgespielt hatte, und zwielichtigem Sexualstraftäter, von dem nach den ersten Folgen noch nicht bekannt ist, wie viel Dreck am Stecken er tatsächlich hat.
Die Rückkehr beider Personen sorgt für Verwerfungen und in Red Pines, "The Family" will dabei offenbar auf vieles hinaus. Am interessantesten ist, was die Rückkehr des plötzlich wieder lebendigen Sohnes in Claire auslöst: Einerseits planlos in der Frage, wie das Kind ins alte (Familien-)Leben zu reintegrieren wäre, nutzt sie den glücklichen Schicksalsschlag andererseits gnadenlos zu PR-Zwecken in Sachen Gouverneursamt-Kandidatur aus, die auch populistische Forderungen nach einem härteren Sexualstrafrecht umfasst. Der Balanceakt zwischen privater Verunsicherung und äußerer Macht-Fassade gelingt Joan Allen erwartbar gut.
Demgegenüber wirken die Verwerfungen im Rest der Familie eher banal, bisweilen soapig trivial: John hatte mal eine Affäre mit Nina, was Claire bis heute nicht zu wissen scheint, ganz im Gegensatz zu Tochter Willa, die aktiv mitvertuschte und das jetzt gegen den Vater einzusetzen bereit ist. Willa selbst war, man erfährt's recht bald, maßgeblich für die Verhaftung Hanks verantwortlich, was einen religiösen Schuldkomplex in ihr verwurzelte. Am ödesten ist Danny, der ältere Sohn, unstet und bindungslos und leichtes Opfer der ehrgeizigen Reporterin Bridey Cruz (Floriana Lima,
Das alles ist solide, aber nicht sehr einfallsreich inszeniert. Es gibt ein paar gezwungen scheinende Walk-and-Talk-Sequenzen (Bridey mit ihrem Chefredakteur, Nina mit dem Polizeichef) und ein paar laue Spannungsmomente, wenn sich Nina in den Wäldern auf die Suche nach dem tatsächlichen Kidnapper macht. Dieser darf dann auch schon ein paarmal durchs Bild huschen. Die zwei Zeitebenen halten sich eingangs durchaus recht geschickt die Waage, während der Hang der Autoren, zentrale Sätze für den unaufmerksamen Zuschauer mehrfach wiederholen zu lassen, zu den nervtötenderen Aspekten der Serie gehört. Abzuwarten bleibt, ob die wechselnde Perspektive (die Pilotepisode wird von Ninas Off-Erzählstimme gerahmt, die zweite Folge von Adam) nur Masche bleibt oder noch erzählerischen Mehrwert abwirft.
Die bleibenden Momente sind jedenfalls den teils sehenswerten Darstellerleistungen geschuldet (Allen und McCarthy vorneweg) - und dem Mystery-Anteil: Ist Adam wirklich Adam oder eventuell ein zweites Opfer des Täters, das sich nur als Adam ausgibt? Was weiß Hank wirklich über die Tat - und warum hält er Adams Kinderhandschuhe versteckt? Jenna Bans und die Regisseure verstehen es, diese Fragestellungen halbwegs spannend herauszuarbeiten.
Fürs bloße Dranbleiben reicht es also. Nur originell ist hier eben nichts. Die Inszenierung hakt die Story eher glatt ab - es bleibt nicht viel Luft zum Atmen und kein Platz für jene emotionalen Hallräume, die etwa "Rectify" zu so einer überzeugenden Rückkehrergeschichte gemacht haben. Die Ungeheuerlichkeit etwa, die es für eine Familie bedeuten muss, ein zu Grabe getragenes Kind nach all der Trauer wieder lebendig und zehn Jahre älter vor sich zu sehen, wirkt hier jedenfalls arg unterbelichtet. Mag sein, dass der vielversprechende Polit-Aspekt im Laufe der Serie noch wichtiger wird (als Claires demokratischer Widersacher ist
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie.
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