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TV-Kritik/Review: "Room 104": Gewitzte Anthologieserie über Menschen in Hotelzimmern
(21.09.2017)
Anthologieserien gibt es in verschiedenen Formen: staffelweise organisiert als Variation unterschiedlicher Settings und Storylines, mitunter mit teilweise gleicher Besetzung in anderen Rollen, wie es etwa Ryan Murphys
Dass sich nun ausgerechnet die Brüder Duplass an diesem Format versuchen, hat manche verblüfft. Anderen schien es nur folgerichtig: Schließlich ist Jay und Mark als den Hans-Dampfs-in-allen Gassen, die sie nun mal sind, grundsätzlich einiges zuzutrauen. Für die, die sie noch nicht kennen: Ab Mitte der Nullerjahre zählten sie zur "Mumblecore"-Szene des US-amerikanischen Indie-Undergrounds, mit günstig gedrehten, schräg vom Drama in den Genrefilm hineinlappenden Kinofilmen wie "The Puffy Chair" und "Baghead" (die vielen Amateur-Darsteller nuschelten gerne mal, daher die Genrebezeichnung) erfilmten sie sich kultisch ergebene Fans. Als in "Cyrus" Jonah Hill und in "Jeff, der noch zu Hause lebt" Jason Segel die Hauptrollen übernahmen, hatten sie schon an den Mainstream angedockt. Nebenher arbeiten beide als Schauspieler und Dramedy-Spezialisten in Filmen und Serien, gemeinsam im
Die Vorgabe für die von insgesamt acht Regisseurinnen und Regisseuren inszenierten, knapp halbstündigen Episoden war klar: Alle Geschichten spielen im selben titelgebenden, ebenerdig liegenden Zimmer eines irgendwo in den USA befindlichen Motels. Außenaufnahmen gibt es keine, nur ein paar Blicke durchs Fenster. Das generische Dekor mit den gedeckten Farben von Jonah Markowitz bleibt dabei immer gleich: zwei Betten mit genopptem Überzug und grünlich schimmernden Kopfkissen, dahinter die dunkelhölzernen Kopfteile, gestreifte beige Tapeten, die immer gleichen Lampen auf dem Nachtschrank und in der Ecke. Hinten ein Waschbecken, daneben die verspiegelte Tür zum Badezimmer. Mit genau diesem Look, mit genau dieser Konstellation von Möbeln mussten die Autoren und Regisseure arbeiten.
Was ein bisschen an eine Schreib- oder Gestaltungsübung an der Filmhochschule erinnert, wird, nimmt man die ersten Folgen zum Maßstab, in bewährte, reizvoll an moderne Lebenswelten angepasste Twilight-Zone-Bahnen gelenkt: Es sind simple Kurzgeschichten with a twist, die arglos beginnen, dann zunehmend seltsam werden und zügig auf eine klare Pointe zusteuern. Der Tonfall ist zu variierenden Graden humorvoll und spannend, der Schwerpunkt liegt klar im Bereich Mystery und Horror. In späteren Folgen, so ist zu vernehmen, werden auch dramatischere und/oder experimentellere Töne angeschlagen.
In der ersten Folge - "Ralphie" (Autor: Mark Duplass) - soll die über eine Babysitter-Agentur vermittelte Meg (Melonie Diaz aus "Nächster Halt: Fruitvale Station") in Room 104 auf Ralph, den elfjährigen Sohn eines eiligen Vaters (Ross Partridge) aufpassen, der dann aber nicht zur vereinbarten Uhrzeit zurückkehrt. Ralph hingegen, ein braves, goldiges Kind, beunruhigt Meg mit wirrem Gerede über "Ralphie", eine Art bösen Zwilling seiner selbst, der angeblich im Badezimmer ausharrt - und dann tatsächlich brüllend in den Raum gelaufen kommt. Psychose oder Realität? Die Auflösung ist nicht neu, aber fies. Ralph und Ralphie werden sehr effektiv von den Zwillingen Ethan und Gavin Kent gespielt, die in Die zweite Episode - "Pizza Boy" (Autor: Mark Duplass) - ist etwas weniger abgründig und verzichtet auf Horror, folgt aber derselben Eskalationsdramaturgie. Der dicklich-ungelenke Titelheld (Clark Duke aus
In der aufs Wesentliche konzentrierten und stilistisch dennoch sehr unterschiedlichen Regie von Sarah Adina Smith (1 und 3) sowie Patrick Brice (2) sind diese ersten drei Einblicke ins titelgebende Zimmer ziemlich spannend geraten - andererseits machen sie auch klar, wohin die Reise hier geht: Von der Kühnheit der Duplass-Filme oder auch der wehmütigen Wärme von "Togetherness" ist hier kaum etwas zu spüren. Was wahrscheinlich mit diesem Konzept aber auch kaum anders möglich sein dürfte. Es geht um den gespielten Witz, die Anekdote der Woche. Es sind morbide kleine Stories, die von Folge zu Folge mal mehr, mal weniger gut aufgehen, mal mehr, mal weniger spannend, witzig, verblüffend sein werden. Die Idee einer nur im Hotelzimmer spielenden Film- oder Serienerzählung ist ohnehin nicht neu (Tarantino hat das 1995 mit drei Kollegen in "Four Rooms" versucht, David Lynch 1993 für HBO mit "Hotel Room"), doch was die Duplass' aus dieser Prämisse machen, kann sich durchaus sehen lassen. Jede neue Episode ist eine Wundertüte: Man kann sich freuen oder enttäuscht darüber sein. Auch das sorgt ja für Spannung. Das findet auch HBO, das inzwischen eine zweite Staffel und damit einen zweiten Strauß Storys bestellt hat - gut so.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von "Room 104".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: HBO
"Room 104" läuft seit einigen Wochen bei HBO in den USA und kann parallel über die Digitalen Angebote von Sky - Sky on Demand, Sky Go, Sky Ticket - im Originalton abgerufen werden. Die lineare Ausstrahlung beginnt heute (21. September 2017) ab 20.15 Uhr bei Sky Atlantic.
Über den Autor
Leserkommentare
Doctor64 schrieb am 21.09.2017, 22.42 Uhr:
Es wäre auch nett wenn ihr mal Trailer in die Reviews setzten könnt sodass man sich auch bewegte Bilder dazu ansehen kann. Das hilft bei der Wahl ob man eine Serie anschauen will oder nicht: https://www.youtube.com/watch?v=zudxg4qHRZQThinkerbelle schrieb am 21.09.2017, 15.05 Uhr:
Es wäre nett, wenn ihr bei den Reviews auch mal wieder einen Link zu der reviewten Serie mit einbauen würdet, damit man sie sich auf die Wunschliste setzen kann. Wenn das mit einem Dutzend Serien geht, die sonst so im Text erwähnt werden, dann sollte das doch auch bei der eigentlich reviewten Serie möglich sein.
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